Gesellschaft: Junge Menschen wünschen sich mehr Teilhabe

Der Kinder- und Jugendbericht nimmt Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Rheinland-Pfalz unter die Lupe und kommt zu dem Ergebnis, dass vieles noch besser werden kann.

Die Zufriedenheit junger Menschen in Rheinland-Pfalz mit ihrem Leben hat wieder das Vor-Corona-Niveau erreicht. Auch liegt trotz aller Krisen der Anteil der Jugendlichen, die zuversichtlich oder sehr zuversichtlich in die Zukunft blicken, wieder ungefähr auf dem Niveau von 2019. 

Allerdings liegen die Werte weiter deutlich unter denen von 2013. Das müsse von der Politik deutlich zur Kenntnis genommen werden, sagte Jugendministerin Katharina Binz (Grüne). Es zeige, dass Krisen bei jungen Menschen Spuren hinterließen. 

Beteiligungsmöglichkeiten im Fokus

Magdalena Joos von der Universität Trier, die zur unabhängigen Berichtskommission zählt, sagte, der Blick junger Menschen in die Zukunft sei trotz in den vergangenen Jahren insgesamt verbesserter materieller Lebensbedingungen düsterer geworden. 

Konkret gaben bei einer für den aktuellen Bericht durchgeführten Befragung im vergangenen Jahr etwa 57 Prozent an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein, rund 55 Prozent blicken zuversichtlich oder sehr zuversichtlich in die Zukunft. 

Ein solches Ergebnis sei angesichts des Krieges in der Ukraine und nach der Corona-Pandemie alles andere selbstverständlich, sagte Binz. 2013 hatten noch knapp 70 Prozent angegeben, zuversichtlich nach vorn zu schauen. 2021, mitten in der Pandemie, war der Wert auf nur noch etwa 18 Prozent abgesackt. 

Der Bericht für diese Legislaturperiode legte den Schwerpunkt auf Beteiligungsmöglichkeiten für junge Menschen. Hier zeigt sich, dass so manches auf den Weg gebracht wurde, aber an vielen Stellen auch noch Verbesserungspotenzial besteht, gerade auf kommunaler Ebene. 

Was sind zentrale Aussagen des Berichts?

Zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene in Rheinland-Pfalz fühlen sich in politischen und kommunalen Prozessen nicht ausreichend gehört. Im Bericht ist von einer „Beteiligungsverdrossenheit“ die Rede. So stimmten mehr als 63 Prozent der Aussage zu, dass junge Menschen in der Politik angehört würden, aber keine Kontrolle darüber hätten, ob ihre Meinung Beachtung findet. 

Auch zeige sich ein gewisser Beteiligungsfrust bei jungen Menschen, sagte Joos. Viele Junge hätten den Eindruck, dass Beteiligung am Ende nichts bringe, teils auch nur eine Art „Alibi-Beteiligung“ gewährt werde, die nichts bewirke. 

Gerade auf kommunaler Ebene werde der rechtliche Rahmen für die Beteiligung junger Menschen oft nicht ausgeschöpft, erklärte Tanja Betz, Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft an der Mainzer Johannes Gutenberg-Universität und Vorsitzende der Berichtskommission. Außerdem gebe es große regionale Unterschiede, wie stark Kinder und Jugendliche eingebunden werden. Wichtig sei, dass Beteiligung verstetigt werde, dass sie alltäglich gelebt werde – nicht zuletzt auch in der Schule. Nach wie vor erlebten beispielsweise viele Kinder und Jugendliche ihre Zeit in der Schule als vor allem fremdbestimmt. 

Was kann aus dem Bericht abgeleitet werden?

Die Ergebnisse des Berichts seien auch eine Aufforderung, die Beteiligungsrechte junger Menschen weiter auszubauen, sagt Ministerin Binz. Jungen Menschen müssten mehr Informationen zur Verfügung gestellt werden, damit sie sich aktiv an politischen Prozessen beteiligen könnten. Es reiche nicht, nur ihre Meinung zu hören. „Beteiligungsprozesse müssen niedrigschwellig und für alle zugänglich sein.“

Die Berichtskommission empfiehlt unter anderem die Stärkung der Rechte junger Menschen in Gesetzen, etwa in der Landesverfassung oder auch im Schulgesetz. Wünschenswert seien auch hauptamtliche Strukturen in der Kinder- und Jugendarbeit, um regionale Unterschiede bei den Beteiligungsmöglichkeiten abzufedern. Auch das Herabsenken des Wahlalters auf 16 Jahre wäre für die Kommission ein richtiger Schritt. 

Woran hapert es in der Praxis noch konkret?

Die Möglichkeiten der Beteiligung und dafür nötige Strukturen seien im Land sehr unterschiedlich, sagt auch Sabrina Kleinhenz, Vorsitzende des Dachverbands der kommunalen Jugendvertretungen Rheinland-Pfalz. Wichtig sei gewesen, dass vor einiger Zeit mit Änderungen der Gemeinde- und der Landkreisordnung Kommunen verpflichtet worden seien, Jugendliche an Belangen ihres Umfeldes zu beteiligen. Allerdings sei das noch längst nicht in allen Kommunen bekannt, werde noch nicht überall umgesetzt. 

Positiv sei, dass es im ganzen Land mittlerweile knapp 50 kommunale Jugendvertretungen gibt, allerdings gebe es noch weiße Flecken. Nach Einschätzung von Magnus Tjiang, der für die LandesschülerInnenvertretung (LSV) im 2024 in Rheinland-Pfalz geschaffenen Landesjugendbeirat sitzt, werden kommunale Jugendvertretungen nicht immer ernst genommen, ihre Positionen bisweilen belächelt. Das führe dazu, dass junge Menschen die Lust an der Mitwirkung verlieren. Dabei habe gerade die kommunale Ebene Potenzial, junge Menschen könnten direkt spüren, wenn sie was bewirken.

Ein weiterer Punkt ist für Kleinhenz vom Dachverband der kommunalen Jugendvertretungen, dass die Gruppe der jungen Menschen, die sich einbringen, nach wie vor eher homogen ist. Junge Menschen mit Beeinträchtigungen oder mit Migrationshintergrund seien unterrepräsentiert. „Da ist noch Luft nach oben.“ 

Lassen sich die Ergebnisse mit anderen Bundesländern vergleichen?

Eher nicht, heißt es von der Berichtskommission. Nicht alle Bundesländer haben solche Kinder- und Jugendberichte und wenn sind sie nicht alle gleichermaßen strukturiert. Das sei im föderalen Deutschland sehr heterogen, sagt Betz. Dass ein solcher Bericht von einer unabhängigen Kommission angefertigt werde, wie in Rheinland-Pfalz, sei eher eine Ausnahme, erklärte Ministerin Binz. 

Den Auftrag für die aktuelle Ausgabe hierzulande hatten die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die Universität Trier sowie das Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz bekommen. Es wurden unter anderem 1.206 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter zwischen 14 und 21 Jahren online befragt. Außerdem wurde eine ganze Reihe an Gruppendiskussionen geführt, erstmals auch mit Kindern von vier bis 14 Jahren.

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