Die Welt starrt auf einen Schornstein und wartet auf weißen Rauch. Ein Kirchenrechtshistoriker erklärt, warum wir das Konklave so spannend finden und wie realistisch der gleichnamige Film ist.
Die Papst-Wahl ist ein Spektakel, das auch Nichtgläubige fasziniert und Filmemacher zu Krimis inspiriert. Für den Kirchenrechtshistoriker Kevin Kulp von der Frankfurter Goethe-Universität liegt der Grund dafür in einem doppelten Paradox: „zum einen das Spannungsverhältnis zwischen maximalem Interesse und größtmöglicher Geheimhaltung, zum anderen das Spannungsverhältnis zwischen menschlichem Wahlakt und Hoffnung auf Eingebung durch den Heiligen Geist“.
Den Kardinälen ist es unter Androhung von Exkommunikation (Ausschluss aus der Kirche) verboten, über das zu sprechen, was während des Konklaves geschieht. „Die Teilnehmer kommunizieren mit der Öffentlichkeit nur über Rauchzeichen.“ Das macht die Papst-Wahl für Kulp zu einem „mystischen Akt“: „Die Öffentlichkeit soll das Gefühl haben, etwas Ewigem beizuwohnen.“
Ein Transsexueller aus Afghanistan als Papst?
Weil niemand weiß, was drinnen passiert, sind draußen der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das erklärt für Kulp auch den Erfolg des Film „Konklave“ mit Ralph Fiennes: „Der Film füllt diese Lücke.“ Die Abläufe seien wohl einigermaßen korrekt dargestellt, sagt der Historiker. Die Kämpfe und Tumulte darin hält er hingegen für „eine Projektion“.
Wahl durch göttliche Eingebung gestrichen
Die Regeln, nach denen das aktuelle Konklave abläuft, sind noch gar nicht so alt. Sie wurden Kulp zufolge zuletzt 1996 von Papst Johannes Paul II. präzisiert. „Er hat die Papst-Wahl sowohl profanisiert als auch sakralisiert“, sagt Kulp, sie also weltlicher und heiliger zugleich gemacht.
Er habe die Option gestrichen, dass die Kardinäle den neuen Papst finden, indem sie gleichzeitig eine göttliche Eingebung haben – es muss gewählt werden. Aber das muss symbolisch unter den Augen Gottes in Form von Michelangelos „Jüngstem Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle geschehen. „Das Konklave wird verstanden als langer Gottesdienst, unterbrochen von Wahlgängen.“
Nach zweieinhalb Jahren: Wahl ohne Nahrung, Wasser und Dach
Die weit verbreitete Vorstellung, dass die Papst-Wahl seit Jahrtausenden gleich abläuft, sei falsch, erklärt Kulp. „Es hat sich eher durch Trial and Error entwickelt.“ Wenn die Regeln geändert wurden, sei das oft geschehen, um Fehlentwicklungen zu korrigieren.
In der Antike seien Päpste von Klerus und Volk gemeinsam gewählt worden. Ab 1059 duften nur noch Kleriker wählen – um zu unterbinden, dass die Politik sich einmischt. Dass die Kardinäle während der Wahl eingesperrt werden, nahm 1272 seinen Anfang, als es nach zweieinhalb Jahren noch immer keinen Papst gab. „Erst wurden die Kardinäle eingesperrt, dann bekamen sie kein Essen und später auch kein Wasser mehr und am Ende hat man das Dach abgedeckt und sie Sonne und Regen ausgesetzt.“