Wahlkämpfe: Frauen kommen in der Politik schwerer an Geld als Männer

Hinter der kläglichen Frauenquote im Bundestag steckt auch finanzielle Benachteiligung. Eine Studie zeigt: Kandidatinnen haben es schwerer an Geld zu kommen als ihre Kollegen.

Als Markus Söder am 25. Februar auf seinem Instagram-Kanal ein Bild postete, wusste er nicht, dass dieses Foto eine Debatte lostreten würde, die bis heute anhält: Sechs Männer im Anzug sitzen um einen Konferenztisch im Konrad-Adenauer-Haus und besprechen den „Politikwechsel in Deutschland“. Das Foto ging viral – auch, weil es sinnbildlich für ein größeres Problem stand: Im Bundestag gibt es zu wenige Frauen

Die Initiative „#ParitätJetzt“ will das ändern und nutzte deshalb Söders Männerrunde für einen Aktionstag in dieser Woche vor dem Reichstagsgebäude. Zwei Meter fünfzig hoch und drei Meter breit prangte eine Nachzeichnung des Fotos auf einem Bannerschild, wobei die Köpfe von Thorsten Frei, Alexander Dobrindt und Martin Huber ausgeschnitten sind. Die Message: Hier sollten die Köpfe von Frauen Platz haben. Das Bündnis, zu dem sich über 80 Organisationen zusammengeschlossen haben, fordert ein paritätisches Wahlrecht, das die Chancengleichheit von Frauenkandidaturen sichert und 50 Prozent Frauen in die Parlamente bringt. 

„Ich bin es leid, mich darüber aufzuregen – übers Können oder nicht“, sagt die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth, Mitgründerin von „#ParitätJetzt“ dem stern. „Frauen haben längst bewiesen, dass sie Talent haben und die Welt mitgestalten können.“ Jahrhundertelang sei das Bild von Männern und Frauen festgelegt gewesen. „Das durchbrechen Gott sei Dank die Frauen gerade. Die wichtigste Forderung auf dem Weg zur Gleichberechtigung ist deshalb ein paritätisches Wahlrecht“, sagt Süßmuth. Mehrere Politiker wie Bodo Ramelow von der Linken, SPD-Politikerin Saskia Esken oder Wolfgang Dahler von der CDU kamen zum Aktionstag, um die Initiative zu unterstützen.

Der Weg ins Parlament kostet 

Dass der Frauenanteil im Bundestag nach der Wahl im Februar auf nur 32,4 Prozent gerutscht ist, liegt vor allem an den männerdominierten Fraktionen von Union und AfD. Damals hatte Merz gesagt, es müssten einfach nur mehr Frauen für politische Ämter kandidieren und das Problem würde sich von selbst lösen. „Ich werbe immer wieder dafür und werde nicht müde, das zu tun“, wiederholte Merz die Aussage im Juni in einem seiner Social-Media-Videos: „Kandidieren junge Frauen genug für den Deutschen Bundestag, haben wir auch später genug Frauen in der Regierung.“ 

Eine Studie vom Verein „Parité in den Parlamenten“ zeigt jetzt: So einfach ist es nicht. Wer in Deutschland für ein politisches Amt kandidieren will, braucht nicht nur Rückhalt in der Partei – sondern auch Geld. Und da haben Frauen einen strukturellen Nachteil, denn sie kämpfen im Wahlkampf nicht nur um Stimmen, sondern auch gegen finanzielle Ungleichheit. Um für den Bundestag zu kandidieren, sind 35.000 Euro nötig. Dazu können Kandidatinnen auf Spenden und Darlehen ihrer Partei hoffen, aber ein Eigenanteil ist obligatorisch. Wie ungleich sich die Finanzierung des Wahlkampfs von Frauen und Männer zusammensetzt, hat sich die Studie bei Direktmandatsträgerinnen der CDU, CSU und SPD angeschaut. 

Das Ergebnis: Ob jemand nominiert wird, hängt häufig davon ab, ob die Person finanzielle Mittel mitbringt. Die Kreisverbände vor Ort entscheiden, wie genau die Wahlkampffinanzierung geregelt ist. In der SPD werden Kandidierende deutlich großzügiger unterstützt als in der CDU. Dort erhalten Männer zudem deutlich mehr finanzielle Hilfe als Frauen. Auch beim Spendenaufkommen gibt es eine Schieflage: CDU-Politikerinnen gelingt es seltener, Spenden in ähnlicher Höhe wie ihre männlichen Kollegen einzuwerben – wenn auch erfolgreicher als ihre Mitbewerberinnen bei der SPD.

Die Frauen-Frage: „Wie macht sie das mit ihrer Familie?“

Für Frauen bedeutet das: Sie müssen in der Regel einen höheren Eigenanteil in ihren Wahlkampf investieren als Männer. Wer verliert, geht damit ein deutlich höheres persönliches Risiko ein. Dabei verdienen Frauen im Durchschnitt weniger, arbeiten häufiger in Teilzeit und verfügen über geringeres Vermögen. Die Folge ist eine strukturelle Benachteiligung – nicht nur im Parlament, sondern schon auf dem Weg dorthin. Vor allem für Erstkandidatinnen seien die Hürden deshalb hoch, heißt es in der Studie.

Aber nicht nur Geld stehe Frauen oft im Weg. Auch würden Frauen „seltener die sicheren Wahlkreise“ erhalten. Dazu müssen sich Frauen in den männerdominierten Parteistrukturen gegen sexistische Umgangsformen wehren. „Am Ende fängt es ja mit der simplen Frage schon an, ja, wie macht sie das denn mit ihrer Familie? Wollen sie Kinder oder haben sie etwa welche?“, seien etwa Fragen, die sich Frauen anhören müssten, gab eine CDU-Politikerin in der Studie an.

Für Christdemokratin Süßmuth gibt ihre Partei „ein jämmerliches Bild ab“. Dass sie mit 88 Jahren noch immer für die Gleichberechtigung von Frauen in der Politik kämpfen muss, hätte sie in ihrer Zeit als Bundespräsidentin von 1988 bis 98 nicht gedacht, sagt sie dem Stern. „Frauen haben eine ungeheure Kraft und viel Talent.“ Trotz Niederlagen müsse man deshalb weitermachen. 

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