Richterwahl: Brosius-Gersdorf weist Kritik als „diffamierend“ und „falsch“ zurück

Nach der gescheiterten Verfassungsrichterwahl hat die SPD-Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf gegen sie erhobene Vorwürfe als „diffamierend“ und „falsch“ zurückgewiesen. Die Rechtsprofessorin kritisierte am Dienstag in einer Erklärung zudem die Berichterstattung über sich als „unzutreffend und unvollständig, unsachlich und intransparent“. Die Grünen drängen indes weiter auf eine Bundestags-Sondersitzung zur Wiederaufnahme der Richterwahl, die Linke lehnt dies hingegen ab. 

Die Berichterstattung sei „nicht sachorientiert“, sondern von dem Ziel geleitet gewesen, „die Wahl zu verhindern“, heißt es weiter in der Erklärung, die eine Bonner Anwaltskanzlei im Auftrag der Juristin veröffentlichte. Die Bezeichnung als „ultralinks“ oder „linksradikal“ sei dabei „diffamierend und realitätsfern“ gewesen. „Ordnet man meine wissenschaftlichen Positionen in ihrer Breite politisch zu, zeigt sich ein Bild der demokratischen Mitte.“

Der Bundestag hätte am Freitag eigentlich drei Richterposten beim Bundesverfassungsgericht neu besetzen sollen. Im Wahlausschuss des Parlaments bekamen auch alle drei eine Mehrheit. In der Union gab es aber dann Vorbehalte gegen Brosius-Gersdorf. CDU/CSU forderten deshalb kurz vor der Abstimmung im Plenum von der SPD, die Kandidatin zurückzuziehen. Daraufhin wurde die gesamte Wahl abgesetzt. Die Union begründete ihre Kritik unter anderem mit der Haltung der Juristin zu den Themen Abtreibung und Kopftuchverbot.

Dagegen wehrte sich Brosius-Gersdorf nun inhaltlich: „Die Berichterstattung über meine Position zur Reform des Schwangerschaftsabbruchs entbehrte der Tatsachengrundlage“, erklärte sie. Der Hauptvorwurf, sie spreche dem ungeborenen Leben die Menschenwürdegarantie ab und sei für einen Schwangerschaftsabbruch bis zur Geburt, sei „falsch“, „unzutreffend und stellt eine Verunglimpfung dar“.

Beim Thema Kopftuchverbot sei es ihr um die Rechtsprechung beim Umgang mit dem Neutralitätsgebot des Staates gegangen. „Während ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an staatlichen Schulen verfassungsrechtlich nicht zulässig sein soll, soll ein entsprechendes Verbot für Rechtsreferendarinnen in bestimmten Situationen im Gerichtssaal zulässig sein“, schrieb sie. „Hierin habe ich einen Widerspruch gesehen.“

Das Politikberatungsnetzwerk Polisphere zeichnete nach, wie binnen weniger Tage in rechten Medien und sozialen Medien massiv Stimmung gegen Brosius-Gersdorf gemacht wurde. Der abgesagten Richterwahl seien „massive Diffamierungen und Vorwürfe“ gegen die Rechtswissenschaftlerin vorausgegangen, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Analyse.

Eine Lösung im Streit der Regierungskoalition um die Richterwahl scheint derweil noch nicht in Sicht: Die SPD will an Brosius-Gersdorf festhalten. Aus der Union kommen hingegen Forderungen nach einer neuen Kandidatin, zum beispielsweise von CSU-Chef Markus Söder.

Unionsfraktionschef Jens Spahn (CDU) räumte in einem Brief an seine Abgeordneten ein, er und die Führung der Fraktion hätten „die Dimension der grundlegenden und inhaltlich fundierten Bedenken gegen“ Brosius-Gersdorf unterschätzt. „Gegen die Emotionalisierung und Polarisierung der Debatte“ seien die Koalitionsfraktionen „nicht gut gewappnet“ gewesen. Das weitere Vorgehen solle jetzt im geschäftsführenden Fraktionsvorstand beraten werden.

Die Grünen drängen derweil in einem Brief an Spahn und SPD-Fraktionschef Matthias Miersch auf eine Bundestags-Sondersitzung zur Wiederaufnahme der abgesetzten Verfassungsrichterwahl – noch in dieser Woche. Eine „zeitnahe Wahl“ sei „dringend erforderlich“, betonen die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Britta Haßelmann und Katharina Dröge. „Wir halten es für unverantwortlich, diese wichtige Entscheidung des Bundestags über Wochen offen zu lassen.“ Die Grünen seien „weiterhin bereit, allen drei Kandidierenden unsere volle Unterstützung auszusprechen“.

Gegen eine Sondersitzung in der parlamentarischen Sommerpause ist hingegen die Linke. Eine solche koste „den Steuerzahler sehr viel Geld“, sagte Linken-Chefin Ines Schwerdtner den Funke-Zeitungen. Sie sei sehr pessimistisch, dass es in einer „überstürzten Sitzung“ eine Einigung geben könne. Stattdessen müsse die Union die Sommerferien nutzen, um Mehrheiten zu finden.

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