Abnehmspritzen: „Ozempic-Babys“ – Wunschkinder mit Risiko?

Frauen berichten, dass sie bei der Therapie mit Abnehmspritzen schwanger wurden. Experten sehen die „Ozempic-Babys“ mit gemischten Gefühlen. Wie sicher sind die Spritzen.

Erst waren es ein paar Berichte in Fachkreisen, dann kursierte das Thema plötzlich in den sozialen Medien: „Ozempic-Babys“. Gemeint sind Schwangerschaften von Frauen, die unter dem Diabetes- und Abnehmmittel Semaglutid – bekannt unter den Handelsnamen Ozempic oder Wegovy – ihr Gewicht reduziert und offenbar ihre Fruchtbarkeit gesteigert haben.

Der Begriff klingt charmant, doch dahinter steckt ein komplexes Thema. Klar ist zumindest, dass zu viele Pfunde die Fruchtbarkeit einschränken können. „Übergewichtige Frauen haben deutlich häufiger Zyklusstörungen und seltener Eisprünge“, erklärt Katharina Laubner, Diabetologin und Endokrinologin am Universitätsklinikum Freiburg. Die Ursache ist eine Insulinresistenz: Die Körperzellen reagieren nicht mehr ausreichend auf Insulin, der Blutzuckerspiegel steigt, und die hormonelle Steuerung der Eierstöcke gerät aus dem Takt.

Zu viel Fett stört den Hormonhaushalt

Auch zu viel Körperfett kann die Fruchtbarkeit senken, denn es ist nicht irgendein Gewebe, sondern ein hochaktives Organ. Es produziert entzündungsfördernde Botenstoffe und bringt so ebenfalls den Hormonhaushalt durcheinander.

Genau hier setzen GLP-1-Agonisten wie Semaglutid an: Sie bremsen den Appetit, senken den Blutzuckerspiegel und führen in vielen Fällen zu einer deutlichen Gewichtsabnahme. „Der Effekt entsteht vor allem über die verbesserte Insulinempfindlichkeit“, erklärt Laubner. „Schon fünf bis zehn Prozent weniger Gewicht können den Zyklus regulieren und die Fruchtbarkeit verbessern, egal, ob durch Lebensstiländerungen, Medikamente oder eine magenverkleinernde OP.“

Schwanger mithilfe der Abnehmspritze?

In der Reproduktionsmedizin sorgt das für Diskussionen: Wäre es nicht sinnvoll, Frauen mit Kinderwunsch und hohem Body-Mass-Index (BMI) gezielt für ein paar Monate auf Semaglutid zu setzen, um zum Beispiel die Chancen einer künstlichen Befruchtung zu verbessern? „Fachleute sehen darin eine große Chance“, sagt Laubner. Sie habe allerdings noch keine Patientin getroffen, die das Medikament aus diesem Grund genommen habe.

Dass das Thema derzeit in den Medien so präsent ist, sieht die Ärztin kritisch: „Ich glaube, es wird überschätzt. Wir machen hier sehr viel Sprechstunde, und ich hatte bisher überhaupt nur zwei Frauen, die unter Semaglutid schwanger geworden sind“, sagt die Expertin. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass die Abnehmspritzen während einer Schwangerschaft gar nicht zugelassen sind. „Frauen müssen vor der Therapie auf eine sichere Verhütung hingewiesen werden“, sagt Laubner. 

Abnehmspritzen vor einer geplanten Schwangerschaft absetzen

Bei Kinderwunsch wiederum lautet die offizielle Empfehlung, Semaglutid zwei Monate vor einer geplanten Schwangerschaft abzusetzen, Tirzepatid, das ähnlich wirkt, vier Wochen vorher.

Doch was, wenn eine Frau unbemerkt während einer Abnehmspritzen-Therapie schwanger wird? Bisher gibt es zwei große Registeranalysen aus dem Jahr 2024 mit beruhigenden Ergebnissen: Die Kinder zeigten kein erhöhtes Risiko für Fehlbildungen. Kleinere Folgestudien bestätigen das. Ein wesentlicher Grund: GLP-1-Agonisten sind große Moleküle, die in der Frühschwangerschaft kaum über die Plazenta gelangen. „Diese Daten sind aber keine Garantie“, warnt Laubner. Denn: Echte Vergleichsstudien fehlen. Die wird es auch nie geben, da Medikamente aus ethischen Gründen an Schwangeren nicht getestet werden dürfen.

Bekommt der Embryo ausreichend Nährstoffe?

Die Auswirkungen des Medikaments während der Schwangerschaft sind kaum untersucht. Das größte Risiko scheint darin zu liegen, dass das Kind nicht ausreichend versorgt wird. Ähnliches kennt man, wenn Frauen kurz nach einer Magenverkleinerung schwanger werden und die Kinder tendenziell kleiner zur Welt kommen. Der Grund ist klar: Die Frauen essen aufgrund der Behandlung so wenig, dass der Embryo zu wenig Nährstoffe bekommt und nicht richtig wachsen kann.

Fast noch mehr Sorgen als die Einnahme während der Schwangerschaft bereitet Laubner allerdings der plötzliche Einnahmestopp: „Man muss den Frauen klar sagen, dass das Gewicht nach dem Absetzen rasch wieder steigen kann.“ Das gilt für Medikamente genauso wie für Diäten oder eine Magenverkleinerung, die rückgängig gemacht wurde. Schließlich ist Adipositas eine chronische Erkrankung.

Wer schnell wieder zunimmt, riskiert Schwangerschaftsdiabetes

Die schnelle Gewichtszunahme durch den Jojo-Effekt kann fatale Folgen haben, etwa Schwangerschaftsdiabetes und Schwangerschaftsvergiftung, sehr große Kinder, die zu Geburtsproblemen führen, oder Frühgeburten. Wie groß dieser Effekt ausfällt, ist kaum erforscht. Fest steht: Das Gewicht der Mutter in der Schwangerschaft entscheidet auch darüber, ob das Kind später ein größeres Risiko hat, selbst übergewichtig zu werden. 

Neuere Wirkstoffe, die bis zu vier verschiedene Hormonrezeptoren ansteuern, versprechen noch stärkere Effekte auf das Gewicht. Für sie gelte dasselbe wie für Semaglutid: keine Anwendung in der Schwangerschaft wegen fehlender Daten, warnt Laubner. Auch Orforglipron, die erste Pille zum Abnehmen, für die Hersteller Eli Lilly gerade erneut vielversprechende Daten veröffentlicht hat, macht da keine Ausnahme.

Ärztliche Begleitung und gesunde Lebensweise

Semaglutid und vergleichbare Mittel können für Frauen mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes oder der Hormonstörung PCOS ein möglicher Weg zum Wunschkind sein. Für welche Frau es der richtige ist, ist immer eine individuelle Entscheidung – mit Blick auf die Risiken und unter ärztlicher Begleitung.

Die Datenlage dazu wird besser, kann aber nie endgültige Sicherheit geben. Es gilt daher, die Chancen durch die Mittel zu nutzen, ohne dabei die Basis zu vergessen: eine gesunde Lebensweise, die auch nach der Geburt beibehalten werden sollte.

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