Eintauchen in die Historie: Wie virtuelle Zeitreisen neue Touristen anlocken sollen

Bei Stadtführungen können Besucher von Uslar virtuell in die Geschichte der Stadt eintauchen. Was steckt hinter der virtuellen Zeitreise und wie läuft das Abenteuer ab?

Eine Katze streunt über die Straße, eine Frau kippt einen Eimer mit Fäkalien über dem Balkon aus, eine Gruppe Banditen kampiert vor den Stadtmauern – all diese Szene hat es einst in Uslar gegeben. Besucher der Stadt können diese Momente aus den vergangenen 500 Jahren heute noch erleben. Dazu hat die Stadt im Solling sogenannte XR-Brillen angeschafft. Diese ermöglichen eine virtuelle Zeitreise in die Geschichte der Stadt. Doch wie kam es dazu und was möchte die Stadt damit erreichen?

„Wir wollten ein touristisches Highlight“, sagt Claudia Filpe von der Touristik-Information in Uslar. Die Stadt ist Teil der Weserbergland-Region. Ein Mittelgebirge, aber kleiner als der Harz. Mit der neuen Technik sollen neue Zielgruppen erschlossen und die Innenstadt belebt werden.

Derartige Angebote wollten Geschichte erlebbar machen und die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt steigern, heißt es von der Bundesvereinigung City- und Stadtmarketing. In dem Bereich sei ein klarer Trend erkennbar. Wichtig sei, dass Angebote wie virtuelle Zeitreisen nicht allein stehen, sondern mit weiteren Veranstaltungen kombiniert werden. „Nur so tragen sie wirklich zur Innenstadtbelebung bei“, sagt eine Verbandssprecherin.

Startpunkt in Uslar ist immer am Alten Rathaus. Elf Stationen stehen für die in Teilen virtuelle Stadtführung zu Verfügung, aber nicht alle werden bei einem Rundgang besucht. Stadtführer Jürgen Fischer begleitet die Besucher auf der Tour. Dazu ist er als Herzog Erich II. kostümiert. Den Herzog, der im 16. Jahrhundert in Uslar regierte, treffen Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Stadtführung auch beim Blick durch die XR-Brille.

Ehemaliger Renaissance-Fürst und Hofarchitekt berichten

Erich II. wird ebenso wie der ehemalige Hofarchitekt Georg Ludwig Friedrich Laves an ausgewählten Punkten der Tour beim Blick durch die Brille in die Realität projiziert. Beim Einsatz dieser sogenannten Augmented Reality (AR) erzählt dann der Renaissance-Fürst beispielsweise von seinem Lustschloss Freudenthal, von dem heute nur noch die Grundmauern stehen. 

Der virtuelle Laves, der Uslar nach einem Feuer einst wieder mit errichtete, spricht über den Bau einer Scheune, die in der damaligen Zeit wirtschaftlich bedeutend war. Mit der Uslar-App können Besucher sich diese Szene auch ohne XR-Brille ansehen.

„Wir hätten vermutet, dass sich für das Angebot vor allem jüngere Menschen interessieren“, sagt Filpe. Die ersten Tester der Technik seien Schulklassen gewesen. „Tatsächlich interessieren sich aber auch viele ältere Menschen dafür.“ Zielgruppe seien alle ab 13 Jahren. Touren werden in der Regel für Gruppen mit bis zu fünf Teilnehmern angeboten – mehr XR-Brillen stehen bisher nicht zur Verfügung.

Heimatbund: sinnvolle Ergänzung für Wissensvermittlung

Auch der niedersächsische Heimatbund ist Fan der Technik. „Grundlegend begrüßen wir es als, wenn innovative Wege der Wissensvermittlung gefunden werden, die insbesondere jüngere Generationen ansprechen“, teilt der Verein mit. Stadtführungen mit virtuellen Elementen würden Angebote ebenso sinnvoll erweitern wie etwa Audioguides in Museen.

In Uslar können Teilnehmer der Stadtführung an einigen Stationen komplett in die Geschichte eintauchen. Die Virtual-Reality-Technik (VR) der Brille versetzt sie in das Schloss Freudenthal, wo gerade Schmiede ihrer Arbeit nachgehen und Adelige über den Innenhof flanieren. An der Stadtmauer erblickt man auf tiefer liegenden Feldern plötzlich Banditen, die die Stadt belagern, während Raben über einem kreisen. Schlicht durch die Bewegung des eigenen Kopfes kann man sich in dem 360-Grad-Video umschauen. 

„Und wenn Fragen sind – zu den Themen oder Technik – ist auch in Zukunft immer ein Stadtführer dabei“, sagt Fischer. Die Technologie sei nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu den Stadtführungen zu sehen.

Ähnliche Angebote in ganz Niedersachsen

Neu ist das alles nicht. Die Uslarer haben sich von einem ähnlichen Angebot in Dresden inspirieren lassen. Auch in Niedersachsen gibt es vergleichbare Angebote. Zum Beispiel können Interessierte bestimmte Sehenswürdigkeiten in Hannover mit einer privaten VR-Brille virtuell aus der Ferne besuchen, etwa die Herrenhäuser Gärten oder den Zoo. Vor allem in der Corona-Zeit seien die Aufrufzahlen enorm gewesen, sagt ein Sprecher des Stadtmarketings.

Scannbare QR-Codes an Straßenlaternen ermöglichen zudem in Hannover AR-Einblendungen historischer Gebäude auf dem Handy. Auf dem Baumwipfelpfad Bad Iburg im Landkreis Osnabrück gibt es ein ähnliches Angebot mit Wildschwein-Rotten oder Hirschkäfern, die virtuell auf dem Handy in die Landschaft projiziert werden. Und in Osterode im Harz können sich Menschen von Oktober an in einem sanierten Haus an einer Kunstinstallation mit mehr als 500.000 Bleistiften beteiligen – real oder eben mit der Hilfe einer XR-Brille.

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