Taylor Swift inszenierte sich lange als nahbare Poetin. Doch ihr neues Album „The Life of a Showgirl“ zeigt, wie dieses Bild Risse bekommt.
Es ist eine bizarre Zeit, Taylor-Swift-Fan zu sein. Insbesondere für jene, die sich einst in das „Mädchen von nebenan“ verliebt haben: die uncoole Außenseiterin mit Persönlichkeit, die den Jungen nie bekommt. Die Taylor, die mit Gitarre auf dem Sofa sitzt, bei Kerzenschein in ihr Tagebuch schreibt und aus Schmerz Poesie macht. Ein Image, das die US-Sängerin über die Jahre hinweg perfektioniert hat. Doch dieses Bild bröckelt mit ihrem neuen Album „The Life of a Showgirl“ endgültig.
Taylor Swift auf den Country Music Awards 2007
© Ethan Miller/ACMA
Neues Jahr, neues Umfeld, neue Werte
In diesem Jahr sahen Fans Taylor Swift mit MAGA-Anhängern posieren und mit ihrer neuen Freundin Brittany Mahomes, einer bekennenden Republikanerin, fröhlich auf Veranstaltungen feiern. Statt wie früher klare liberale Werte zu zeigen – in Regenbogen-Outfits auf der Bühne zu stehen, Joe-Biden-Kekse zu backen und sich politisch klar zu bekennen – ist ihre Stimme leiser geworden.
Sie meldet sich nur dann zu Wort, wenn es gilt, etwas richtigzustellen. Etwa als sie in einem Instagram-Post bekanntgab, Kamala Harris zu wählen, nachdem es Gerüchte gab, sie sei Republikanerin geworden.
Auch ihr Outfit spiegelt diesen Wandel wider. Sie passt sich dem „Hypebeast“-Stil ihres Verlobten Travis Kelce an. Einer Mode, die von teurer Streetwear, großen Logos und sichtbarem Luxus lebt. Statt dezenter Kleidung trägt sie nun von oben bis unten Markenstücke, die offen ihren Reichtum signalisieren.
Taylor Swift und Travis Kelce nach dem AFC-Meisterschaftsspiel 2025 in Kansas
© Jamie Squire
„The Life of a Showgirl“ spiegelt ihr neues Image wider
Dieser Imagewechsel endet nicht bei der Kleidung – er zieht sich bis in ihre Kunst. Spätestens seit ihrem Album „Folklore“ (2020) ist Taylor Swift für ihre Songtexte bekannt: intime Erzählungen über verlorene Liebe, Traumata und das Erwachsenwerden. In diesen Liedern gesteht sie Fehler ein, zeigt Schwäche und hinterfragt sich selbst. Eine Ehrlichkeit, in der zahlreiche Fans sich wiederfinden.
Doch das neue Album bricht bricht mit diesem Muster. Beim Hören fühlt es sich an, als würde man eine KI-Version ihrer früheren Lieder hören – ähnlich, aber ohne dieselbe Magie. Immer wieder drängt sich die Frage auf: Wo ist Taylor Swift?
Eingängige Melodien ohne Substanz
Die Melodien bleiben im Ohr, keine Frage. Doch dem Album fehlt es an Kreativität. Die emotionalen Bridges – jene musikalischen Höhepunkte ihrer Songs, für die Swift berühmt wurde – fehlen fast vollständig. Alles wirkt weichgespült, glatt, berechenbar.
Dass die Songs an Tiefe verlieren, ist aber nicht das einzige Problem. Ja, sie sind eingängig, aber die Produktion klingt in jedem zweiten Song gleich. Produzent Max Martin, bekannt für Pop-Alben wie „Teenage Dream“ (Katy Perry) oder „1989“ (Taylor Swift), bringt zwar Radiotauglichkeit mit, aber kaum Überraschung. Viele Fans hofften auf eine Rückkehr zu den euphorischen Popmomenten früherer Jahre. Doch die Beats sind zu langsam, die Tonlage zu tief, die Texte zu überladen.
Swift ist bekannt für ihre Lyrik, aber auch Poesie braucht Raum zum Atmen. Hier wirken die Songs überfüllt mit Worten, die wenig Sinn ergeben. Zeilen wie „Aber ich bin keine bad bitch, und das ist nicht savage, aber ich werde dich niemals im Stich lassen“ – aus ihrem Song „Eldest Daughter“ – wirken fehlplatziert. Die Wortwahl steht im Widerspruch zur melancholischen Stimmung des Songs und lässt offen, was Swift damit eigentlich sagen will.
Tradwife-Hymnen und Widersprüche
Manche Zeilen klingen sogar wie Hymnen eines konservativen „Tradwife“-Lifestyles. In dem Song „Wi$hli$t“ singt sie davon, dass sie all den Luxus nicht wolle – nur Travis, ein Haus und so viele Kinder, dass „die ganze Nachbarschaft wie er aussieht“. Ein Widerspruch zu Songs wie „Lavender Haze“ aus ihrem Album „Midnights“ (2023), in dem sie das traditionelle Frauenbild noch ablehnte.
Auch sonst ergeben die Texte wenig Sinn nebeneinander: In einem Song preist sie Luxusmarken wie Cartier und Gucci, im nächsten besingt sie, wie viel wichtiger ihr einfache Werte sind. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch das ganze Album.
Ein weiteres Problem ist die auffällige Ähnlichkeit vieler Songs zu bereits bekannten Werken. Das Cover von George Michaels „Father Figure“ ist im gleichnamigen Taylor-Swift-Lied zwar korrekt vermerkt, doch auch mehrere ungenannte Samples tauchen auf – etwa Lordes „Yellow Flicker Beat“, der Pixies-Klassiker „Where Is My Mind“ oder „I Want You Back“ von den Jackson 5. Die Parallelen in Melodie, Rhythmus und Aufbau sind so deutlich, dass man beim Hören unweigerlich an die Originale denken muss.
Leere Versprechen mit irreführendem Marketing
Das größte Rätsel bleibt jedoch das Marketing. Aufgrund der verschiedenen Album-Cover und des Titels, erwarteten Fans ein Konzeptalbum: einen tiefen Einblick in die Psyche einer Showfrau, eine Reflexion über Ruhm, Identität und Selbstverlust. So wie sie es in ihrem Song „Clara Bow“ aus dem Album „The Tortured Poets Department“ (2024) noch andeutete. Dort singt sie über die Austauschbarkeit weiblicher Künstlerinnen durch jüngere Newcomerinnen in der Musikindustrie.
Doch was kriegen die Fans? Ein Album ohne klares Thema. Die meisten Songs handeln von ihrem Verlobten Travis Kelce und davon, wie er sie vor der Einsamkeit rettete. Dazu wieder ein Track über das „Gecanceltwerden“ – ein Motiv, das sie seit ihrem Album „Reputation“ (2017) nicht mehr loslässt. Und ein Song, der angeblich eine musikalische Abrechnung mit der Sängerin Charli XCX sein soll.
Nach dem Hören des Albums sind die Fans genauso schlau wie vorher. Ein träges Ende für ein Werk, das – wäre es nicht von Taylor Swift – keine Analyse, kein Tiktok und keine Rezension wert wäre. Es fehlt ihm schlicht an der notwendigen Substanz. Es klingt wie etwas, das zwischen Tür und Angel entstanden ist. Zwischen der „Eras Tour“, anderen Album-Releases und Marketing-Meetings.
Am Ende bleibt vor allem eines: die Zerstörung einer Illusion. Das Bild der verletzlichen Songwriterin, des „Mädchens von nebenan“, das im Kerzenlicht über Liebe und Verlust schreibt, ist verblasst. An ihrer Stelle tritt die Geschäftsfrau Taylor Swift: eine perfekt funktionierende Marke, die ihre Kunst längst strategisch verwaltet. Die Nähe, die Swift einst ausmachte, wird durch Professionalität ersetzt, die Emotion durch Effizienz.
Taylor Swift: Marke oder Musikerin?
Es bleibt zu hoffen, dass Swift die Kritik nicht nur hört, sondern versteht. Dass sie innehält, sich zurückzieht und die Ruhe findet, wieder Kunst zu schaffen, die an ihre einstige Integrität erinnert. Möglicherweise braucht es Stille statt Strategie, Rückzug statt Reichweite. Damit aus der Marke wieder eine Musikerin wird und aus Taylor Swift wieder die Frau, deren Lieder einst so ehrlich klangen, dass man sich selbst darin erkannte.