Entscheidet das Los künftig mit, wer zur Bundeswehr muss? Auf diese Frage konzentriert sich nun die Debatte über das Wehrdienstgesetz, das am Donnerstag in den Bundestag eingebracht wird.
Union und SPD haben sich nach langem Ringen im Grundsatz auf ein Wehrdienstmodell verständigt, das auch ein Losverfahren enthalten soll. Die Details sollen am späten Nachmittag bei einer Pressekonferenz der Fachpolitiker bekanntgegeben werden. Schon jetzt gibt es heftige Kritik aus der Opposition.
Spahn: „Fairstdenkbare“ Lösung
CDU/CSU-Fraktionschef Jens Spahn verteidigte die von der Union stammende Idee des Losverfahrens, dessen Einzelheiten noch unklar sind. Sollte es zu einer neuen Wehrpflicht kommen, müsse man ein möglichst gerechtes Auswahl treffen, sagte er. „Da scheint mir das vorgeschlagene Verfahren das fairstdenkbare. Ich habe jedenfalls noch keinen faireren Vorschlag gehört.“
CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann wies rechtliche Bedenken zurück. Die Union habe ein Rechtsgutachten dazu in Auftrag gegeben, nach dem eine solche Regelung mit dem Grundgesetz vereinbar wäre, sagte der Chef der CSU-Bundestagsabgeordneten. Ein Losverfahren diene dazu, in einem Auswahlprozess Gleichheit herzustellen. „Der Prozess der Auslosung gewährleistet diese Gleichheit, weil alle die gleiche Chance haben oder Nicht-Chance, gezogen zu werden.“
Pistorius will sich nicht querstellen
Der Gesetzentwurf soll am Donnerstag in den Bundestag eingebracht werden. SPD-Fraktionschef Matthias Miersch wies daraufhin, dass es bis zur Verabschiedung noch Änderungen geben könne. Es werde voraussichtlich eine Expertinnen- und Expertenanhörung geben. Dann werde ausgewertet, „wie wir in die zweite und dritte Lesung gehen“.
Verteidigungsminister Boris Pistorius sagte dem Internetportal „The Pioneer“, er werde sich nicht querststellen, auch wenn er „inhaltlich ein bisschen skeptisch“ sei.
Grüne: „Völlig undurchdachter Vorschlag“
Die Grünen im Bundestag sprachen dagegen von einem „völlig undurchdachten Vorschlag“. Das Los entscheiden zu lassen, wer gemustert und einberufen werden solle, sei ein „absolut willkürliches“ und ein „total bürokratisches“ Verfahren, sagte Fraktionschefin Katharina Dröge. Selbst beim alten Wehrdienst habe niemand zum Dienst an der Waffe gezwungen werden können, stattdessen habe es den Ersatzdienst gegeben.
Linke spricht von „Lotto Wehrpflicht“
Linksfraktionschef Sören Pellmann warnte vor einer „Lotto-Wehrpflicht“. Das Vorhaben erinnere ihn „an den Roman „Tribute von Panem“, wo Kinder für die Hungerspiele ausgelost werden“.
AfD-Chefin Alice Weidel sagte: „Ich habe so etwas Schwachsinniges selten gehört. Die Amerikaner haben das damals während des Vietnamkrieges gemacht“, sagte sie. „Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass man so etwas in Deutschland einführen würde.“
80.000 zusätzliche Soldaten benötigt
Hintergrund für das Wehrdienstgesetz ist, dass die Bundeswehr 80.000 zusätzliche Soldaten benötigt. Als Begründung wird eine Verschärfung der Bedrohungslage infolge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine genannt. Aktuell hat die Bundeswehr rund 183.000 aktive Soldatinnen und Soldaten, rund 260.000 sollen es werden. Auch die Reserve soll wachsen.
Der neue Wehrdienst soll weiterhin freiwillig bleiben. Als Anreiz soll es für Wehrdienstleistende unter anderem mehr Geld geben. Schon im bisherigen Gesetzentwurf ist aber auch die Option für eine Wehrpflicht festgehalten, „wenn die verteidigungspolitische Lage einen schnellen Aufwuchs der Streitkräfte zwingend erfordert, der auf freiwilliger Grundlage nicht erreichbar ist“. Es bräuchte dafür dann aber eine extra-Verordnung des Bundeskabinetts und eine Zustimmung des Bundestages, so der bisherige Entwurf.
Union will klare Vorgaben
Das ist der Union aber zu schwammig und zu aufwendig. Sie ist skeptisch, dass genug Freiwillige zusammenkommen und hatte einen Automatismus hin zu einer verpflichtenden Heranziehung gefordert, wenn die Zahlen nicht erreicht werden. „Das wird am Ende genauso kommen“, sagte CSU-Landesgruppenchef Hoffmann. Über die Zeitschiene und Zielmarken für die Rekrutierung von Personal werde es eine konkrete Vereinbarung geben. „Das wird verbindlich vereinbart werden schon jetzt in diesem Gesetzentwurf“, sagte er.