Gerhard Schröders Vernehmung: „Was stellen Sie für komische Fragen?“

Ex-Kanzler Gerhard Schröder sagt im Schweriner Nord-Stream-Untersuchungsausschuss aus. Er erinnert sich an wenig. Trotzdem verläuft die Sitzung ziemlich turbulent.

Nach einer knappen halben Stunde wird Gerhard Schröder erstmals ungehalten: „Was stellen Sie denn für komische Fragen?“, ruft er einem Abgeordneten zu. Ein paar Minuten danach findet der frühere Bundeskanzler, nun werde es „allmählich lächerlich“. Und noch ein bisschen später reicht es ihm: „Herr Vorsitzender, können Sie diesen Unsinn jetzt mal unterbinden?“

Immer mal wieder sieht es so aus, als ob die Befragung im Nord-Stream-Untersuchungsausschuss des Landtags von Mecklenburg-Vorpommern wegen anschwellender Lustlosigkeit des Zeugen ein schnelles Ende finden könnte. Es geht dann aber doch stets weiter, insgesamt mehr als zweieinhalb Stunden lang – in der Sache nicht wirklich ergiebig, aber streckenweise sehr konfrontativ. Und punktuell auch unterhaltsam.

Gerhard Schröder: Aussage per Video

Es geht in diesem Ausschuss um die Klima- und Umweltschutzstiftung Mecklenburg-Vorpommern, die 2021 gegründet wurde. Sie sollte es ermöglichen, etwaige US-Sanktionen gegen Nord Stream 2 zu umgehen und so die Erdgas-Pipeline durch die Ostsee fertig zu bauen. Die Abgeordneten wollen klären, wer die Idee für die Stiftung hatte, welchen Einfluss Russland und der Gazprom-Konzern genommen haben und wer auf deutscher Seite beteiligt war. Anders gesagt: Es geht um die Frage, ob Manuela Schwesig (SPD) und ihre damals rot-schwarze Landesregierung sich willfährig den Interessen Russlands und des Gazprom-Konzerns unterworfen haben.

Freitagmorgen im Schweriner Landtag: Dies ist der dritte Anlauf, Schröder im Ausschuss zu vernehmen. Beim ersten Versuch hatte er kurzfristig aus gesundheitlichen Gründen abgesagt. Der zweite Termin platzte, weil der Ex-Kanzler wegen eines Burnouts krankgeschrieben war. Nun hat sich Schröder bereit erklärt, per Video auszusagen.

Um 10.02 Uhr sieht man auf dem großen Monitor im Sitzungssaal einen älteren Herrn in weißem T-Shirt und dunkelblauem Sakko. „Guten Morgen, Herr Schröder“, sagt der Vorsitzende. „Moin“, röhrt es aus Hannover zurück. Fotos von Schröder auf dem Monitor sind nicht gestattet.

Im Hintergrund sieht man einige Kunstgegenstände auf einer schwarzen Truhe, links am Boden lehnt ein Bild an einer Stele, zwei Figuren stehen auf jeweils einem weißen Sockel, eine von ihnen trägt eine Weltkugel auf der Schulter. Es ist das Büro des Rechtsanwalts Schröder in Hannover, der bis heute auch Verwaltungsratsvorsitzender der Nord-Stream-2-AG 2 ist.

Das Videobild ist nicht ganz scharf. Wie es Schröder gesundheitlich geht, ist nicht zu erkennen. Er wirkt ernst, einstweilen aber noch freundlich. Nach der Prüfung seiner Personalien gibt der 81-Jährige mit fester Stimme ein Statement ab. Er wolle zum allgemeinen Hintergrund nur sagen, dass Deutschland wegen des Atomausstiegs verstärkt andere Energieformen habe nutzen müssen. Die Steinkohle sei klimaschädlich gewesen, deshalb habe man die Gaslieferungen aus Russland erweitert. „Wir bekamen umweltfreundliches Gas zu vernünftigen Preisen.“ Das sei im Interesse Deutschlands gewesen, sagt Schröder, und später wird er deutlich machen, dass das aus seiner Sicht auch heute noch gilt. Der Ex-Kanzler braucht keine zwei Minuten, dann sagt er: „Ich freue mich auf Ihre Fragen.“ Diese Freude wird nicht allzu lange halten.

„Merkel hat meine Politik erfolgreich fortgesetzt“

Erst einmal geht es um seine Nachfolgerin im Kanzleramt. Angela Merkel, sagt Schröder, habe seine Gaspolitik „engagiert und erfolgreich fortgesetzt“. Dafür habe er zweimal „hilfreiche Gespräche mit dem russischen Präsidenten geführt“. Er und Merkel, die ihre Aufgabe „hervorragend“ erledigt habe, hätten kein persönliches Problem miteinander. „Warum sollten wir auch?“

Im Mittelpunkt des Interesses steht allerdings Manuela Schwesig und ihre Rolle bei der Gründung der Stiftung. Schröder macht gar kein Hehl daraus, dass er die Stiftung für „eine sehr vernünftige Idee“ gehalten habe, weil man so möglichen amerikanischen Sanktionen ausweichen konnte. Das fand er richtig, „weil es nicht Sache der Amerikaner ist, sich in unsere Energiepolitik einzumischen“. Die USA seien darauf aus gewesen, Fracking-Gas zu verkaufen. „Aber das wollten wir nicht.“

Fest steht, dass es mehrere Treffen und Telefonate zwischen Schwesig und Schröder in seiner Funktion als Verwaltungsratschef gab. Der Ex-Kanzler findet das ganz selbstverständlich, sagt aber, er könne sich an Einzelheiten nicht erinnern. Er habe oft mit Schwesig gesprochen, über die er sagen könne, dass sie eine kompetente sowie „außerordentlich angenehme und sehr freundliche Person war und ist“.

Je länger nachgebohrt wird, desto patziger wird der Zeuge. Einmal habe man sich bei einem Konzert an der Ostsee getroffen. Das sei sehr schön gewesen.
„Haben Sie an diesem Abend mit Frau Schwesig über die Pipeline gesprochen?“
„Ich habe der Musik zugehört und dabei nicht gesprochen.“

Wer denn später an dem Abendessen teilgenommen habe, will ein Abgeordneter wissen. „Können Sie mir die Sinnhaftigkeit dieser Frage erklären, mit wem ich an dem Abend gegessen habe?“, poltert Schröder zurück. „Ich kann sicher sagen, dass ich an dem Abend gegessen habe.“

Je länger die Sitzung, desto patziger der Zeuge

Ein anderes Mal drehen sich die Fragen um ein Telefonat mit Schwesig, das in ihrem Kalender vermerkt sei. „Den kenne ich nicht“, blafft Schröder. Er wisse auch nicht mehr, mit wem er an diesem Tag telefoniert habe. „Wer aus Ihrem Kreis weiß noch, mit wem er damals telefoniert hat?“

Es ist das grundsätzliche Problem dieser Befragung, dass Schröder an dem Beziehungsgeflecht zwischen Gazprom, Nord Stream, dem Land Mecklenburg-Vorpommern, dessen Ministerpräsidentin und letztlich der Stiftung nichts Verwerfliches erkennen will. Er findet es in Ordnung, dass es Kontakte des Landes mit Russland gab, wirtschaftliche Beziehungen, Sponsoring. Irgendeine Form der Korruption sieht er nicht. Als es einmal darum geht, wer die Rechnung eines Abendessens bezahlt habe, antwortet Schröder: „Was wollen Sie damit andeuten? Glauben Sie wirklich, dass man mich mit einem Abendessen bestechen kann?“

Schröder bemüht sich um Präsenz, aber es gelingt ihm nicht immer. Manchmal hört er einfach nur schlecht, „obwohl ich mein Hörgerät eingeschaltet habe“, wie er sagt. Als ein Abgeordneter auf Gemunkel zu sprechen kommt, fragt Schröder: „Was? Furunkel?“. Manches bringt er aber auch durcheinander: Seine Sprünge zwischen der Zeit als Kanzler und der als Nord-Stream-Mann sind bisweilen verwirrend. Einmal lobt er die gute Zusammenarbeit mit der Bundesregierung von Helmut Kohl. Und den sozialdemokratischen Parteifreund Erwin Sellering degradiert er konstant zum Wirtschaftsminister. Sellering war aber Ministerpräsident, Schwesigs Vorgänger und später Vorstandsvorsitzender der Umweltstiftung.

Als Putins Büttel will Gerhard Schröder nicht dastehen

Wenn es um ihn selbst geht, erscheint Schröder allerdings auffallend präzise und empfindlich – und reaktionsschnell. Als ein Grünen-Abgeordneter fragt, ob Putin ihm den Auftrag gegeben habe, beim Bau von Nord Stream 2 zu helfen, unterbricht er sofort und fragt: „Was meinen Sie mit dem Wort Auftrag? Was wollen Sie damit sagen?“. Offenkundig will Schröder auf keinen Fall als Büttel des russischen Präsidenten dargestellt werden.

Am Ende erschöpft sich die Sitzung in einem Duell zwischen dem Grünen-Abgeordneten Hannes Damm und Schröder. Damm fragt fast eine Stunde lang Details ab, an die Schröder keine Erinnerung mehr hat. Immer wieder moniert der Altkanzler, eine Frage habe nichts mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun und fordert ein Eingreifen des Vorsitzenden. Manche Frage beantwortet er auch mal recht rustikal: „Das geht Sie einen feuchten Kehricht an.“ Besonders empfindlich reagiert er auf Fragen, die einen Zusammenhang zwischen Nord Stream 2 und dem Krieg Russlands gegen die Ukraine herstellen. Er sei nicht hier, mault Schröder, „um über die politischen Ansichten eines x-beliebigen Abgeordneten zu diskutieren“.

Eigentlich war vereinbart, aus Rücksicht auf Schröder nach einer Stunde eine Pause einzulegen. „Ich brauche keine Pause“, knurrt Schröder, als er daran erinnert wird. Um 12.40 Uhr schließt der Vorsitzende die Sitzung. Im Saal schütteln manche den Kopf. Schröder sieht zufrieden aus.

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