Verzweiflung und Schock, massiver Druck und Panikmache: Trickbetrug über das Telefon gibt es schon seit 25 Jahren – in immer neuen Varianten. Aktuell finden die Täter wieder viele Opfer.
Enkel in Haft oder Polizisten als Retter vor Ganoven: Mit solchen und ähnlichen Lügen haben Trickbetrüger aus Callcentern im vergangenen Jahr mehr als sieben Millionen Euro in Rheinland-Pfalz erbeutet. Im ersten Halbjahr 2025 betrug der Schaden erneut bereits 3,5 Millionen Euro, wie der Chef des Landeskriminalamts, Mario Germano, der Deutschen Presse-Agentur in Mainz sagte. Und ständig ist von neuen Anrufen zu hören.
„Diese Kriminalität ist zwischenzeitlich 25 Jahre alt und hat sich auf einem hohen Niveau verstetigt“, sagte Germano. Zu den erfassten Schäden komme eine hohe Dunkelziffer, weil viele Menschen aus Scham auf eine Anzeige verzichteten.
Mit der alternden Gesellschaft wachse die Zahl potenzieller Opfer. Zugleich haben die Täter dank Künstlicher Intelligenz (KI) immer perfidere Möglichkeiten: Sie könnten etwa aus Audio- und Videoschnipsel im Internet Stimmen fälschen. Dann klingt ein angeblicher Anrufer in einer fingierten Notsituation auch noch echt.
Typischer Trick: Fingierter Unfall
Ein 89-Jähriger in Schifferstadt wurde erst vergangene Woche mit einem weit verbreiteten Trick um Gold im Wert von 140.000 Euro geprellt. Die Betrüger gaben sich als Polizeibeamte aus und gaben am Telefon vor, die Tochter des Mannes habe einen Autounfall gehabt, sei im polizeilichen Gewahrsam und könne nur durch Zahlung einer Kaution in Höhe von 150.000 Euro entlassen werden.
Als das eingeschüchterte Opfer zu einem angeblichen Oberstaatsanwalt weitergeleitet wurde, gab er an, die geforderte Geldsumme nicht in bar aufbringen zu können, aber Gold zu besitzen. Die Betrüger wiesen ihr Opfer an, das Gold einem Polizisten zu übergeben. An einem vereinbarten Treffpunkt übergab der hochbetagte Mann das Gold an den vermeintlichen Polizisten.
Mit einer ähnlichen Masche erbeuteten Täter im Mai von einem Mann aus dem Kreis Birkenfeld Gold und Schmuck im Wert von knapp einer Million Euro, wie das LKA berichtete.
Eine Kaution wegen eines Unfalls gibt es nicht
Meist behaupteten die Anrufer bei diesem Trick, der oder die nahe Angehörige habe bei einem Verkehrsunfall einen Menschen lebensgefährlich verletzt, mit dessen Tod in nächster Zeit zu rechnen sei. Der Angehörige sei daher verhaftet worden, könne jedoch gegen Zahlung einer Kaution auf freiem Fuß bleiben.
„Deine Tochter, dein Sohn hat jemanden überfahren und müsste eine Kaution bezahlen. Kannst Du helfen?“, beschrieb Germano, wie die Täter vorgehen. „Einen solchen Fall mit Kaution gibt es in Deutschland aber gar nicht. Wenn im Hintergrund gleichzeitig jemand verzweifelt „Mama, Mama“ wimmert, bedenkt dies das Opfer aber nicht.“
Mit einem Codewort Betrug verhindern
Für den Angerufenen, also das potenzielle Opfer, werde es mit KI immer schwieriger, den Betrug zu erkennen, warnte Germano. Daher sei es wichtig, innerhalb der Familie ein Codewort abzumachen, das kein anderer kenne und das in vermeintlichen Notfällen der Tochter, der Enkelin oder des Sohns abgefragt werden könne.
„Oftmals sind solche Stimmverfälschungen aber noch gar nicht notwendig, weil für viele ältere Menschen einfach eine junge Stimme mit den Worten „Oma, Oma, Papa, Mama, ich habe ein Problem“ ausreichend ist“, berichtete Germano. Wenn dann noch Tränen und Verzweiflung dazu kämen, wollten sie oft schnell helfen und bemerkten in ihrem Schock nicht, wie wenig plausibel die Geschichte sei, die ihnen der Anrufer auftische.
Typischer Trick: Angeblich drohende Straftaten verhindern
Typisch seien auch Anrufer, die behaupteten: „Bei Ihnen soll eingebrochen werden!“ oder „Sie sollen überfallen werden!“. Die Masche: „Sie sind in Gefahr, wir sind die Polizei“, berichtete Germano. Die angebliche Polizei gibt weiter an, noch nicht genau zu wissen, wer die Täter sind und rät: „Bringen Sie Ihr Hab und Gut in Sicherheit“.
Oder: „Wir sichern das für Sie und unterstützen Sie dabei“. Die Anrufer argumentierten dabei so überzeugend, „dass man am Ende der Meinung ist, man hat es mit der echten Polizei zu tun, die ja immer noch ein hohes Vertrauen in der Bevölkerung genießt“, sagte der LKA-Chef. „Dieses Vertrauensverhältnis wird massiv schamlos ausgenutzt.“
Ein Ehepaar aus dem Kreis Bad Dürkheim fiel auch auf angebliche Polizeibeamte herein. Ihnen wurde im August 2024 am Telefon mitgeteilt, mit Kopien ihrer Personalausweise seien schwere Straftaten begangen worden. Die Betrüger bauten dabei ein Vertrauensverhältnis zu dem Ehepaar auf und hielten den Kontakt ein halbes Jahr lang aufrecht. In diesem Zeitraum kam es zu mehreren Übergaben von Gold und Schmuck im Wert von knapp zwei Millionen Euro.
Typischer Trick: Vorgetäuschte Gewinne
Eine andere Masche sind vorgetäuschte hohe Geld- oder Sachgewinne. Um diese zu erhalten, sollen die Opfer eine Bearbeitungsgebühr oder Notarkosten im Voraus zahlen. In Wirklichkeit handelt es sich um eine Falle, um an das Geld und die Kontodaten der Angerufenen zu gelangen, warnte die Polizei.
Diese Absicht steckt auch hinter zahlreichen Anrufen, bei denen angeblich Banken oder Zahlungsdienstleister am Telefon sind. Ein anderer Versuch an Daten zu gelangen, sind Textnachrichten etwa per SMS, bei denen es um ein angeblich verlorenes Handy und die neue Telefonnummer geht.
Die Täter nutzen verschiedene psychologisch ausgeklügelte Methoden, um ihre Opfer zu verunsichern und zur Herausgabe von Geld, Wertgegenständen oder persönlichen Daten zu bewegen. Sie geben sich nicht nur als Polizist, Staatsanwalt oder Bankmitarbeiter aus, sondern verwenden auch gefälschte Telefonnummern, die auf dem Display wie offizielle Rufnummern der Polizei oder anderer Behörden erscheinen.
Schnell auflegen!
Schnell auflegen hilft. „Wenn die Betrüger feststellen, der geht mir nicht auf den Leim, dann legen sie auch von sich aus auf“, berichtete Germano. Allerdings: „Wenn die Täter merken, die Menschen legen während eines Gesprächs auf und werden sich des Betrugsversuchs bewusst, dann wird die Anzahl der Versuche einfach erhöht.“
„Da sitzen Menschen, die geschult sind, die empathische Fähigkeiten haben, herauszuhören: „Habe ich denjenigen am Haken?“ und „Schaffe ich es, den auch am Apparat zu halten?““, sagt Germano. „Die Gefahr ist ja immer, dass der Angerufene auflegt und in der Drucksituation, in die er ja künstlich versetzt wurde, in dem aufgebauten psychologischen Stress, anfängt zu denken.“