In Thüringen soll Vize-Regierungschefin Katja Wolf vom BSW-Landesvorsitz verdrängt werden. Parteichefin Sahra Wagenknecht erhöht nochmals deutlich den Druck auf die Ministerin.
Im parteiinternen Kampf um die Spitze des Thüringer BSW hat sich die Bundesvorsitzende Sahra Wagenknecht offen gegen die bisherige Landeschefin Katja Wolf und deren Co-Vorsitzenden Steffen Schütz gestellt. Sie sei „erstaunt über die erneute Kandidatur“ der beiden, sagt sie dem stern.
„Ich war davon ausgegangen, dass es in Thüringen längst Konsens war, Partei- und Regierungsamt zu trennen, was ja auch sinnvoll ist“, erklärte Wagenknecht.
Damit äußert sich die BSW-Chefin erstmals öffentlich zu einem eskalierenden Konflikt, der die Koalition in Thüringen gefährdet. Wolf ist stellvertretende Ministerpräsidentin und Finanzministerin im Kabinett von CDU-Regierungschef Mario Voigt. Schütz amtiert als Infrastrukturminister.
Sahra Wagenknecht ergreift Partei
Beide bewerben sich auf dem Landesparteitag am 26. April erneut als Landesvorsitzende. Allerdings gibt es Konkurrenz: Die Landtagsabgeordnete Anke Wirsing und mehrere andere Wagenknecht nahestehende Mitstreiter treten als Team gegen den aktuellen Landesvorstand um Wolf an.
Die Angreifer werden dabei vom Bundesvorstand unterstützt. Sie seien „gut geeignet“, erklärte BSW-Generalsekretär Christian Leye im MDR. „Ich halte grundsätzlich eine Trennung von Ministeramt und Landesvorsitz für sinnvoll“, sagte die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali dem „Spiegel“.
Nun äußert sich Wagenknecht selbst. „Wir werden in Zukunft sehr viel mehr Mitglieder aufnehmen“, sagt sie dem stern. „Auch deshalb braucht es Vorsitzende, die sich auf den Parteiaufbau konzentrieren können.“
Katja Wolf hält dagegen
Wolf wehrte sich. „Ziel muss es sein, eine starke Mitgliederpartei zu entwickeln und gleichzeitig BSW-Positionen stark in der Regierung zu verankern“, sagte sie dem stern. „Und dazu braucht es eben auch eine gute Mischung in einem starken und erfahrenen Vorstand.“
Wagenknecht hatte nach der Thüringer Landtagswahl im September eine mögliche Regierungsbeteiligung kritisch gesehen und teilweise intern bekämpft. So stellte sie immer neue Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung, die Wolf und Schütz nur teilweise erfüllten. Aufgrund der Interventionen aus Berlin standen die Verhandlungen mit CDU und SPD gleich mehrfach vor dem Aus. Insbesondere Wolf wurde aus dem Bundesvorstand teilweise rüde attackiert.
Erst als im November die Ampelregierung im Bund platzte und de facto der Bundestagswahlkampf begann, gab Wagenknecht ihren Widerstand auf und warb sogar persönlich für den Eintritt in die Koalition. Als jedoch das BSW im Februar knapp den Einzug in den Bundestag verpasste, machte die Parteichefin dafür explizit Thüringen mitverantwortlich: Im Gegensatz zu Brandenburg, wo das BSW unter der SPD mitregiert, habe die Partei nur wenig erreicht.
Kräfteverhältnisse sind ungewiss
Jetzt geht es um die nächsten Wahlen, deren Ergebnisse über die Existenz der Partei entscheiden dürften. Erkennbare Strategie des Bundesvorstands ist es, vor den vier im nächsten Jahr anstehenden Landtagswahlen das radikalpopulistische Profil der Partei zu schärfen, um wenigstens in den Ost-Ländern Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern in die Parlamente einzuziehen.
Die pragmatisch regierende Koalition in Thüringen widerspricht diesem Kurs. Eine Wagenknecht genehme BSW-Landespitze könnte hingegen die CDU-geführte Landesregierung immer wieder vorführen – und am Ende sogar den Koalitionsausstieg erzwingen. Die wahrscheinlich resultierende Spaltung des Landesverbands würde als Kollateralschaden in Kauf genommen.
Und so steht Wolf wieder unter immensem Druck. Hinzu kommt, dass die Kräfteverhältnisse im kleinen Thüringer BSW-Landesverband schwer einzuschätzen sind. In einer früheren Phase des Machtkampfs im Herbst hatte der Bundesvorstand bis zu einem Viertel der aktuell knapp 130 Mitglieder an der Landesspitze vorbei aufgenommen. Dieses Manöver könnte sich jetzt nachträglich für Sahra Wagenknecht auszahlen.